Die Kirchenfenster der Pfarre Breitenfeld (Teil 2): „Sende deinen Geist aus und alles wird neu“

In unserer Reihe zu den Breitenfelder Kirchenfenster betrachten wir diesmal das mittlere Chorfenster, das direkt hinter dem Hochaltar liegt und daher meist kaum zu sehen ist. Auch das theologische Bildprogramm dieses Fensters dreht sich um die Zahl 7: Hier sind es die sieben Gaben des Hl Geistes, die der Künstler dargestellt hat.

An diesem Fenster sind leider einige Scheiben schon sehr verblasst, so dass der ursprüngliche Eindruck nicht mehr vollständig sichtbar ist.

Den oberen Bildbereich dominiert wieder ein Symbol Gottes, von dem alles Licht und die ganze Dynamik des Bildes ausgeht: Die drei ineinander liegenden Dreiecke zitieren das klassische Motiv der Dreifaltigkeit mit der Sonne bzw. dem „Auge Gottes“ im Zentrum. Die Dreiecke sind eingefasst in drei konzentrische Kreise, in denen wiederum drei mal drei Formen zu sehen sind, die mit etwas Fantasie als Hände gedeutet werden können. Die Darstellung deutet ein Rotieren der Kreise an, womit die Dynamik der göttlichen Dreifaltigkeit angedeutet werden könnte. Dieses Symbol der göttlichen Präsenz ist – wie im benachbarten Schöpfungsfenster – der Ursprung von Lichtstrahlen. Durch die exakte Ost-Ausrichtung der Kirche scheint die aufgehende Sonne am Morgen genau durch dieses Lichtsymbol.

Über die weiteren Felder des Fensters verteilt ergießen sich Flammen (Feuerzungen) und sieben Medaillons, welche die Gaben des Hl. Geistes symbolisieren. Die Flammen verweisen auf das Pfingstereignis (Apg 2).

Als sieben Gaben des Hl. Geistes werden traditionell Weisheit, Einsicht, Rat, Erkenntnis, Stärke, Frömmigkeit und Gottesfurcht bezeichnet, von denen sechs dem Buch Jesaja (Kap.11) entnommen sind. Hier werden sie als Eigenschaften des verheißenen Messias beschrieben. Dieser wird vom Geist Gottes, also vom Heiligen Geist, bestärkt. Jesaja nennt sechs Gaben, die paarweise erscheinen und drei unterschiedliche Aspekte beleuchten:

  • Weisheit und Einsicht: Diese Eigenschaften beziehen sich auf die menschlichen Charakterstärken des Königs;
  • Rat und Kraft: Diese Eigenschaften zeichnen die Amtsführung des Königs aus;
  • Erkenntnis und Furcht des Herrn („Gottesfurcht“): Diese Eigenschaften verweisen auf die religiöse Haltung, die Beziehung zu Gott

In späteren Bibelübersetzungen wurde auch eine 7. Gabe, die Frömmigkeit, hinzugefügt, woraus sich in der katholischen Theologie die Lehre von den 7 Gaben des Heiligen Geistes entwickelte.

In der sehr bewegten künstlerischen Darstellung des Fensters wird die Dynamik der „Ausgießung“ der Geistesgaben zum Ausdruck gebracht: Der Heilige Geist wirkt nicht nur im Messias, sondern in jedem Menschen, der an Gott glaubt und sein Leben so gestaltet, dass Gott darin einen zentralen Platz einnehmen kann. Da wir nicht unfehlbar und perfekt sind, können wir nicht aus eigener Kraft zu Gott gelangen, sondern wir können darauf vertrauen, dass er uns dabei stärkt. Daher glauben wir, dass der Heilige Geist eine Verbindung zwischen uns und Gott ist und uns dauerhaft mit Eigenschaften ausstattet, die unsere Persönlichkeit im positiven Sinne verändern. Diese Eigenschaften, die uns prägen und uns bekräftigen, nennen wir „Gaben des Geistes“.

Näheres zu den (sieben) Geistesgaben kann hier nachgelesen werden: https://www.erzdioezese-wien.at/7-gaben-des-heiligen-geistes

Das „Hl. Geist“- oder „Pfingstfenster“ passt thematisch gut in die 50tägige Osterzeit, in der wir besonders die Gaben des Hl. Geistes erbitten. Vielleicht ist die abstrakte Darstellung als Einladung zu verstehen, darüber nachzudenken, welche Gaben mir gegeben wurden bzw. welche mir und uns als Gemeinschaft fehlen. Im Gebet um den Hl. Geist bitten wir um Stärkung der vorhandenen Gaben und auch um die Ergänzung dessen, was uns noch fehlt. Hier kann auf den Apostel Paulus (1 Kor 12) verwiesen werden, der einerseits eine Vielzahl verschiedener Geistbegabungen aufzählt, zugleich aber immer die ganze Gemeinde als Trägerin der Geistesgaben (Charismen) deutet: Erst in der Gemeinschaft aller Glaubenden ist die Fülle der Gnadengaben vorhanden und wirksam.

Das Modell der charismatischen Funktionen bei Paulus basiert auf einer theologischen Deutung, die menschliche Begabungen und Gottes Geist verbindet. Es knüpft an den natürlichen Fähigkeiten und Begabungen der Christen an, erkennt darin aber zugleich das Gemeinde bildende, eine neue Lebenswirklichkeit schaffende Wirken des göttlichen Geistes. Charismen sind das, was der oder die Einzelne kann und in das Leben der Gemeinde einbringt.

Dabei sind die Begabungen nicht Selbstzweck. Daher führt Paulus ein Regulativ für das Verständnis der Charismen ein: den Gemeinschaftsbezug. Alle Charismen müssen sich am Kriterium des „Nutzens“ für die anderen, für die Gemeinschaft messen (1 Kor 12,7) und haben dem „Aufbau der Gemeinde“ zu dienen (14,5.12).

Ein letzter Aspekt zum Breitenfelder „Pfingstfenster“:
Das Licht der im Osten aufgehenden Sonne strahlt durch das Fenster und – bedingt durch die Architektur der Kirche – quasi durch den Hochaltar und den Hauptaltar („Volksaltar“) der Kirche in die zum Gottesdienst versammelte Gemeinde hinein. Die Gemeinde der Glaubenden ist letztlich Trägerin der Geistesgaben und bittet gleichzeitig immer um die Erneuerung: „Sende deinen Geist aus und alles wird neu“.

(Gregor Jansen, April 2020)

Hier geht es zum dritten Teil:
http://www.breitenfeld.info/die-kirchenfenster-der-pfarre-breitenfeld-teil-3-die-sakramente-christus-in-der-kelter/